16.12.2011
Die Menschen entlang der Transportstrecke sind keine Versuchskaninchen!
Landtagsrede zu TOP 67: Aufklärung über Asbestmülltransporte
In der Umweltausschusssitzung Anfang November berichtete die Landesregierung, sie habe aus der Presse von den bevorstehenden Transporten nach Rondeshagen und Schönberg erfahren. Dies allein ist schon bemerkenswert und schafft kein Vertrauen. Deshalb bin ich froh, dass wir es mit unserem Antrag geschafft haben, diese Transporte vorerst zu stoppen. Und ich gehe davon aus, dass es auch gelingen wird, sie gänzlich zu stoppen.
Ich bedanke mich für den Bericht, mit den Inhalten bin ich aber keineswegs zufrieden. Zu viele Fragen bleiben offen, manche Fragen werden erst gar nicht stellt. Daher kann und darf hier nicht das letzte Wort gesprochen sein.
„Für Asbest kann keine Wirkungsschwelle und damit auch keine gesundheitlich unbedenkliche Dosis angegeben werden“ zitiert das OVG-Urteil aus Lüneburg aus dem Jahr 2009 das Bayrische Landesamt für Umwelt. Dieser wichtige Hinweis fehlt in dem Bericht der Landesregierung.
Ebenso wie Stellungnahmen von Zeitzeugen: einem ehemaligen Mitarbeiter der Fulgurit-Werke und dem ehemaligen Dezernatsleiter des niedersächsischen Landesamtes für Ökologie, einem ausgewiesenen Fachmann für die Gefahren von Asbest. Beide weisen seit langem darauf hin, dass auf der Halde in Wunstorf keineswegs nur Asbestschlämme lagern, sondern in größeren Mengen auch weitaus gefährlichere Asbeststäube.
Stattdessen gibt die Landesregierung vor allem die Einschätzung der Behörden in Niedersachsen wieder. Es kann aber nicht sein, dass Sie sich deren Haltung bezüglich der vorgeblichen Alternativlosigkeit der Transporte völlig unkritisch zu eigen machen.
Für den wirtschaftlichen Vorteil der Region Hannover sollen weit über 7.000 mal die BewohnerInnen entlang der mehr als 200 Kilometer langen Transportstrecke gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt werden, deren Dimension niemand abschließend bewerten kann.
Diese Begründung ist unzumutbar und genau das ist es auch, was die Menschen hier in Schleswig-Holstein und in Mecklenburg-Vorpommern zu Recht auf die Straße treibt.
Ich weiß, dass es Gutachten gibt, die besagen, eine sichere Lagerung sei am jetzigen Standort nicht möglich. Ich weiß aber auch, dass sich die verschiedenen Gutachter nicht einig sind und es auch ernstzunehmende Fachleute gibt, die das Gegenteil behaupten.
Ich frage die Landesregierung: Warum haben Sie in dem Schreiben an das Land Niedersachsen nicht mit Nachdruck die ernsthafte Prüfung einer solchen Lösung angemahnt?
Stattdessen haben Sie „darum gebeten[…], dass die rechtlichen Bestimmungen zweifelsfrei eingehalten werden“. Ja, wo sind wir denn? Ich bin bislang immer davon ausgegangen, dass Behörden in unserem Land die rechtlichen Bestimmungen einhalten und dazu nicht von der schleswig-holsteinischen Landesregierung aufgefordert werden müssen. Das ist mehr als grotesk.
Nun zu den umstrittenen Gutachten des TÜV: Hier gibt es zahlreiche Ungereimtheiten. Als Grundlage für eine Gefährdungseinschätzung reichen die Daten nicht aus. Das Niedersächsische Umweltministerium weist in einer Presseerklärung vom 18.11. 2011 selbst auf die Inhomogenität des Asbestschlamms hin. Bei jedem zehnten Transport sollen nun weitere Messungen durchgeführt werden. Das ist vollkommen willkürlich.
Auch die geplante Anlieferung des Mülls in Muldenkippern statt in geschlossenen, staubdichten Behältern, wie sie das OVG Lüneburg gefordert hat, lässt Zweifel daran aufkommen, dass hier wirklich die Sicherheit der Bevölkerung vor ökonomische Interessen gestellt wird.
Ich habe den Eindruck, dass hier bestehende Standards im Umgang mit Asbestmüll verwässert werden sollen. Das bisherige Vorgehen der Behörden in Schleswig-Holstein und Niedersachsen folgt dem Konzept „Versuch und Irrtum“. Die Menschen entlang der Transportstrecke und an den Deponiestandorten sind aber keine Versuchskaninchen!
Die Sicherheit der Bevölkerung ist wichtiger als ökonomische Interessen!
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